Während unsere Position zum Fiskalpakt hinlänglich bekannt ist wollen wir erläutern, weshalb wir den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) für einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung halten. Wir gehen davon aus, dass die Refinanzierungskosten der Krisenstaaten durch die gemeinsame Haftung via ESM sinken werden. Momentan sehen sich einige Staaten mit sehr hohen Zinsen für neue Staatsanleihen am Finanzmarkt konfrontiert. Ihre Defizite würden durch noch höhere Zinsen weiter steigen, und das wiederum verstärkt das Spardiktat in den Krisenstaaten, unter denen Realwirtschaft, Beschäftigung und schließlich die ganze Bevölkerung leidet. Beispielsweise kostet Spanien der derzeitige Zinsaufschlag zu Österreich mittelfristig über 30 Mrd. Euro – das ist mehr, als das aktuelle harte Sparpaket der spanischen Zentralregierung einsparen soll. Die Zinsentwicklung folgt aber nicht nur realwirtschaftlichen Grundlagen, sondern ist vom Herdentrieb am Finanzmarkt beeinflusst – wird auf den Bankrott eines Landes spekuliert, steigen die Zinsen. Der ESM reduziert ein Stück weit diese vollständige Abhängigkeit der Staatsfinanzierung von den Finanzmärkten und gibt ein wenig Handlungsspielraum in die Politik zurück.
In seiner aktuellen Form handelt es sich beim ESM um einen Stabilisierungsmechanismus der Mitgliedsstaaten gegen die Attacken der Finanzmärkte auf die schwächsten Glieder der Kette. Allerdings ist das keine Charity-Aktion des großzügige Nordens, der aus edlen Motiven dem armen aber letztlich für seine Situation selbst verantwortlichen Süden hilft. Der ESM verschenkt das Geld nicht, sondern verborgt es zu Zinsen die über dem Niveau von Deutschland, Österreich etc. liegen, sodass diese Staaten an der Zinsdifferenz direkt verdienen. Darüber hinaus besteht ein gemeinsames Interesse aller Mitgliedsstaaten: Sie wollen eine Feuermauer gegen einen potenziellen wirtschaftlichen Flächenbrand errichten. Die Dominosteine vorm fallen zu hindern, ist Selbsterhaltungstrieb und keine Charity.
Der ESM ist kurzfristig nur die zweitbeste Alternative, eine Garantie der Europäischen Zentralbank (EZB) für alle Staatsschulden wäre ein wesentlich effektiveres Instrument, um günstige Refinanzierung der Staaten zu ermöglichen. Das zeigen die Beispiele USA und UK seit langem: Dort trägt auch die jeweilige Zentralbank dazu bei, dass die Staatsfinanzierung zu vernünftigen Konditionen erfolgen kann. Trotz hoher Defizite bei Leistungsbilanz und Staatsverschuldung können sich diese beiden Staaten immer noch sehr günstig refinanzieren. Mittelfristig sehen wir in Eurobonds, also einer gemeinsamen europäischen Staatsanleihe, die beste Lösung. Daneben wäre es aber vorstellbar, dass der ESM mit einer Banklizenz ausgestattet wird. Er könnte somit anstelle der EZB (ohne Risiko) unbegrenzt Garantien für Staatsschulden übernehmen und diese gegebenenfalls auch aufkaufen. Allein die glaubwürdige Ankündigung des ESM im Fall der Fälle Staatsschulden aufzukaufen würde dabei ausreichen um die Zinsen nachhaltig zu senken – Spekulationen auf Staatsbankrotte wäre damit ein endgültiger Riegel vorgeschoben.
Allerdings ist der ESM nur die halbe Miete: Ein Fokus auf die Realwirtschaft und eine Koordination der makroökonomischen Steuerung sind seit drei Jahren überfällig! Die größte Gefahr für die Eurozone besteht in den überzogenen Sparprogrammen, die den Krisenstaaten aufgezwungen wurden. Sie führen zu einem Teufelskreis, weil die massiven Sparprogramme die Wirtschaftsleistung verringern, wodurch die Arbeitslosigkeit zunimmt und die Konsolidierung zunehmend schwieriger wird. Gleichzeitig werden über Strukturanpassungsprogramme die soziale Rechte jener beschnitten, die keine Schuld für die Krise tragen, aber diese am stärksten zu spüren bekommen. Bei den Auflagen für die Hilfskredite des ESM darf nicht abermals dieser Teufelskreis ausgelöst werden. Muss wie derzeit diskutiert Spanien etwa die Arbeitslosenunterstützung kürzen, die Mehrwertsteuer erhöhen und die Arbeitszeit zwecks weiterem Stellenabbau im öffentlichen Dienst erhöhen, könnte die Hilfskredite insgesamt kontraproduktiv sein.
Nichts desto trotz: Die halbe Miete ist besser als keine Miete, darum finden wir, der ESM ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Weiterführende Informationen:
- Überblicksdarstellung zum ESM und dem Fiskalpakt (Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion) des Parlaments
- Eine etwas umfassendere Darstellung von ESM und Fiskalpakt in der Zeitschrift “Geldpolitik & Wirtschaft” der Österreichischen Nationalbank
- Alternative Vorschläge zur Lösung der Euro-Krise in Hinblick auf die Probleme der Staatsfinanzierung in einem Beitrag auf den nachdenkseiten.de